Beduftung? Was ist das eigentlich? Es gibt einige Kollegen, die kennen mich noch aus der Zeit als ich mit einem Nähkasten durch die Gänge gewandelt bin. In diesem Nähkasten waren Duftbeispiele wie Kölnisch Wasser, Ammoniak und anderes. Heute habe ich zwar keinen Nähkasten mehr dabei, aber immer noch Duftbeispiele. Hier die Geschichte, wie es dazu kam…
Vorweg: ich bin keine spezielle Parfümliebhaberin oder kenne mich besonders gut mit Parfüms aus, aber was mich schon immer interessiert hat, war wie etwas riecht oder wonach es riecht. Die ganz entfernten Ursprünge der Beduftung findet man bei einer sehr umtriebigen Dame, Frau Monika Kupke. Monika führte Integrationsworkshops für Kreative durch, eingesammelt aus dem damals sehr breit aufgestellten Daimler Konzern. Die Teilnehmer waren handverlesen – Hierarchie hat nichts genutzt!
Der Anfang mit ANIK
Ich wurde damals als Praktikantin von Alexander Mankowsky mit hereingeschmuggelt.Unser erstes Arbeitsresultat war ein Forschungsprojekt in dem es darum ging sinnliches Erleben für das Auto zu erforschen und nach Umsetzungen zu suchen. Es hatte den etwas verschrobenen Titel: ANIK: Assoziationsnetze zur integrierten Produktkonzeption. Wahrnehmungspräferenzen in der Triade. Die Triade, das waren unsere Märkte, USA, Europa und Japan. Die Mauer stand noch, die Globalisierung war weit entfernt, das Internet war noch Geheimwissenschaft.
Das Thema Duft hatte mir es in dieser Zeit schon sehr angetan – von der unendlichen und überraschenden Vielfalt von Düften in japanischen Kaufhäusern, bis zu den ‚Welcome Home‘ Düften in amerikanischen Hotels und Haushalten. Ein wesentlicher Fokus unserer Arbeiten war damals Sinneswahrnehmung von Duft eingebettet in das Verständnis der kulturellen Bewertung zu verstehen: Was macht Genuß und Luxus aus? Warum sind funktionale Düfte wertlos, bleiben billig, egal wie sie riechen? Was macht den Wert eines Parfums aus, wie ist Parfum in das Feld des Luxus integriert?
Die Geburtsstunde des Luxus
Eine wesentliche Erkenntnis die zur Ausführung der heutigen Beduftung der S-Klasse geführt hat, war die Rolle des Flakons, die Historie von Parfums sowie das Verstehen des europäischen Luxus. In der Geschichte des europäischen Luxus finden sich Parfum und Mode als Kernelemente wieder: erstmalig wird nicht nach dem Preis der notwendigen Ressourcen bezahlt (Brokate, Indigo, exotische Pflanzendüfte) sondern nach Komposition, Neuheit und Individualität – die Geburtsstunde des Luxus war das französische Boudoir des Rokoko.
Dieses Zusammenspiel von Schönheit, Besonderheit und Individualität, von Geschichte und Sprache, hat sich bis heute in der Wertschätzung von Parfums erhalten. Damit war die Aufgabe gestellt: Wie können wir den Wertcharakter des Parfüms in eine Fahrzeugbeduftung überleiten? Flüssig und in einem schönen Behälter, genannt Flakon waren als Ausgangspunkt definiert. Unsere Idee bestand darin, einen sauberen Luftstrom über eine Parfümoberfläche streichen zu lassen und diesen in den Fahrzeuginnenraum abzugeben. Nichts simpler als das …
Jeder kennt die Bewegung mit der Hand, wenn wir uns etwas was gut riecht zu fächern, vom Kochtopf raus oder einem Blumenstrauß, das war das Vorbild. Beduftete Luft: dezent, niemals aufdringlich und selber einstellbar. Aktive Beduftung nannten wir es in Abgrenzung zur passiven Beduftung mit der beispielsweise ein Leder so imprägniert, dass es so riecht wie man es erwartet – nach Leder. Einer solchen passiven Beduftung bin ich ausgesetzt und kann mich nicht entziehen. Aktiv heißt: Ein- und ausschaltbar, Intensität einstellbar und Duftart wählbar.
Ein echtes Highlight der Forschungsphase war ein Kundenversuch für ANIK: wir hatten auf der IAA 2001 ein eigenes Zelt direkt auf der Plaza, nur für geladene Gäste! Eine ‚normale‘ S Klasse klassisch in silber / schwarz, es war damals die Baureihe 220, wurde mit einer anderen verglichen, in der wir einen echten Chanel No5 Flakon im Fond an der Decke angebracht hatten, die Technik war im Kofferraum unterbracht. Zusätzlich hatte das schwarze Fahrzeug eine mittelbraune Naturlederausstattung, ‚Patinaleder‘ war damals das Stichwort.
Den Gesichtsausdruck der Damen des MaFo Institutes vergesse ich nie, als wir ihnen mitteilten daß sie kein eigenes Parfum verwenden durften, um den Test nicht zu verfälschen. Der Test verlief sehr ermutigend – ernst dreinblickende Herren, im Fond sitzend, erklärten den Damen, dass sie doch sehr gerne etwas Angenehmes riechen möchten, in ihrer S-Klasse.
Im Hier und Jetzt oder wie bin ich zu meinem energischen Kinn gekommen. Ich werde zwei Punkte aus vielen herausheben:
1. Wie funktioniert eigentlich unsere Nase und
2. Der selbst befüllbare Flakon.
Unsere Nase ist kein Automat der immer gleich funktioniert. Jeder weiß, dass man bei einem Schnupfen weniger Geruchsempfindungen hat. Die Wenigsten haben jedoch bei sich selbst überprüft, wie es mit der Nase steht, wenn man Hunger hat, oder im Stress ist – man riecht anderes und empfindet manche Gerüche gar nicht, andere verstärkt. Die Nase ist eine eigenständige Erkenntnismaschine, die übermittelt was sie für wichtig findet. Wie diese Erkenntnismaschine funktioniert, ist noch nicht so recht bekannt – besonders der Vorgang des Riechens sperrt sich bisher gegen die Modellbildung.
Bekannt ist, dass die ersten Riechereignisse schon im Mutterleib stattfinden, dort schon eine individuelle Prägung entsteht. Diese Individualisierung des Geruchssinnes setzt sich durch das weitere Leben fort, durch Erlebnisse und die jeweilige Umwelt und Kultur geformt. Wenn es kalt ist riechen wir ein bisschen langsamer und wenn wir in Singapur aus dem Flieger steigen erschlägt uns die Intensität der Gerüche wegen der hohen Luftfeuchtigkeit. Nun aber haben wir als Ingenieursunternehmen jedoch den Anspruch alles regeln zu können, wenn es geht meßbar, und immer gleich gut. Die Klimatisierungsautomatik ist dafür ein gutes Beispiel.
Mit der Beduftungslösung musste ich nun gegen alle Vorgaben verstoßen: Man kann den Dufteffekt nicht in Zahlen messen, da wir dazu den Zustand des Fahrers sensieren müssten. Ist er oder sie gut gelaunt? Wie war das Frühstück? Steht Stress ins Haus? Wo kommen wie viele Duftmoleküle an?
Das Beduftungssystem individuell angepasst
Nun, die Lösung bei Düften besteht darin, dem Menschen im Fahrzeug zu vertrauen, Kontrolle zu übergeben. Die Beduftung muss einfach sein, abschaltbar und regelbar, möglichst unabhängig von den Automatismen bleiben. Es müssen auch Wunschdüfte nutzbar sein, die der Kunde aus ganz persönlichen Gründen bevorzugt, vielleicht um sich an eine geliebte Person zu erinnern. Düfte sind ganz besonders in der Lage Erinnerungen zu wecken. Daher bieten wir in unserer Beduftungslösung einen Flakon zur Selbstbefüllung an.
Das erwähnte energische Kinn musste ich in unendlichen vielen Diskussionen vorschieben, um diese Art des Vertrauens zum Kunden durchzusetzen. Es grenzte an eine kleine Revolution. Für mich ist es die Verbeugung vor der Individualität unseres Kunden und seines Lieblingsduftes. Die neue S Klasse und nun auch die C Klasse sind mit dem Air Balance Paket an den Start gegangen. Diese Sonderausstattung beinhaltet einen verbesserten Innenraumfilter, einen Ionisator und die Beduftung. Es ist ein Paket um die Innenraumluft aufzuwerten, zu einem Moment des Wohlgefühls zu erheben.
Wenn wir uns weltweit umschauen ist die Qualität der Luft, die wir atmen, keine Selbstverständlichkeit. Wer diese Ausstattung bestellt, bekommt unseren FREESIDE MOOD und ein Set mit vier Phiolen. Enthalten sind alle Düfte die wir anbieten: Der FREESIDE MOOD ist ein frischer und dezenter Duft, ich nenn ihn den ‚unerkannten Held des Alltags‘. Er ist freundlich und unaufdringlich, so wie wir uns diesen Helden träumen. Er hält Türen auf und hebt die runtergefallenen Schlüssel auf. Oder ist es eine Heldin?
Die weiteren Düfte heißen SPORTS MOOD, DOWNTOWN MOOD und NIGHTLIFE MOOD. Und ich glaube diesen Artikel muss man beenden mit: to be continued …
Der Beitrag Parfüm im Auto – Wie geht das denn? erschien zuerst auf Daimler-Blog.